Innere Stärke und Gelassenheit durch Achtsamkeit
Wie uns neurowissenschaftliche Daten und Fakten helfen, durch Achtsamkeit unsere Lebensqualität in vielen Bereichen zu verbessern.
Achtsamkeit kann man trainieren, und darin geübte Menschen finden zu innerer Ruhe, Stärke und Gelassenheit. Denn Achtsamkeitstraining verbessert die Fähigkeit sowohl zur Aufmerksamkeits- als auch zur Emotionsregulation. Erst seit einigen Jahren beginnt man zu entdecken, welche Veränderungen im Gehirn während des Trainings stattfinden, und man beginnt auf Grund dieser Befunde auch zu verstehen, wie sowohl Achtsamkeitstraining als auch die Fähigkeit zur Achtsamkeit im Gehirn funktionieren.
Achtsamkeit ist ein geistiger Zustand
Der Begriff Achtsamkeit entstammt dem Buddhismus. In einigen der wichtigsten Schriften dieser Religion, der Satipatthana Sutra und der Anapanasati Sutra, erläutert der historische Buddha die Auswirkungen der Achtsamkeit, ihre Rolle bei der Erlangung von Weisheit sowie die Kultivierung der Achtsamkeit. In der westlichen Welt hat der Begriff verschiedene Definitionen erfahren. Die in der Fachliteratur am häufigsten verwendete Beschreibung stammt von amerikanischen Biologen und Mediziner Jon Kabat-Zinn. Er bezeichnet Achtsamkeit als einen Zustand, der entsteht, wenn die Aufmerksamkeit bewusst und vollkommen auf das Hier und Jetzt, auf den gegenwärtigen Moment gerichtet wird, ohne die dabei gemachten Erfahrungen zu bewerten oder emotional darauf zu reagieren.
Achtsamkeitsmeditationen
Meditationen werden seit Jahrhunderten in verschiedenen Kulturen praktiziert, als Weg zur Bewusstseinserweiterung, zur Heilung oder zur Selbsterkenntnis. Als Definition für den Begriff Meditation bietet sich eine Beschreibung an, die mehrere verschiedene Ansätze in sich vereint: Der Begriff Meditation bezieht sich auf eine Ansammlung von Selbstregulations-Praktiken, die das Training von Aufmerksamkeit (im englischen: attention) und von Gewahrsein (im englischen: awareness) in den Mittelpunkt rücken, um mentale Prozesse unter größere willentliche Kontrolle zu bringen und dabei generelles geistiges Wohlbefinden und geistige Entwicklung sowie spezifische Fähigkeiten wie Ruhe, Klarheit und Konzentration zu fördern.
Das Wirkungsspektrum der Achtsamkeit
Achtsamkeitsmeditationen verschieben die geistige Perspektive auf das eigene Ich, so dass man in der Lage ist, seine Gedanken und Gefühle mit einem gewissen Abstand zu betrachten. Es fällt leichter, mit Stress, Ängsten und negativen Gefühlen wie Trübsinn oder Minderwertigkeit umzugehen. Besonders durch die Erforschung von Therapiewirkungen bei verschiedenen Patientengruppen konnten erstaunliche Wirksamkeitserfolge nachgewiesen werden.
Aufmerksamkeitsregulation
Achtsamkeit entsteht durch den bewussten und gezielten Einsatz von Aufmerksamkeit. Durch Achtsamkeitstraining kann die Aufmerksamkeit sowohl leichter fokussiert als auch bewusst ausgeweitet werden. Die Fähigkeit zur Achtsamkeit erleichtert es, die Aufmerksamkeit auf ein Objekt zu konzentrieren und zu halten und man bemerkt schneller, wann die Gedanken abzudriften drohen. Einfach formuliert: Wenn ich mich besser konzentrieren kann, bin ich schneller fertig. Oder anders formuliert: Wenn meine Gedanken ständig von einem Thema zum nächsten springen, mache ich unnötig viele Fehler. Außerdem lernt man, mit Störungen effektiver umzugehen, indem man sie entweder gezielt ausblendet oder aber bewusst annimmt und darauf eingeht.
Körperbewusstsein
Achtsamkeitsmeditationen verstärken die Fähigkeit sowohl zur Interozeption als auch zur Exterozeption. Mit diesen beiden Begriffen ist die Sensibilität gemeint, die entweder nach innen oder nach außen gerichtet ist. Menschen, die regelmäßig entsprechende Meditationsübungen machen, wie zum Beispiel die body-scan Meditation, erleben das angenehme Grundgefühl, Eins mit ihrem Körper zu sein.
Die innere Landkarte wird differenzierter, das Gefühl für Körperhaltung, Bewegung, Mimik und Gestik verbessert sich und innere Signale können intensiver wahrgenommen und exakter interpretiert und zugeordnet werden.
Emotionsregulation
Die neuronale Hauptzentrale für Emotionen ist das limbische System. In der modernen Neurobiologie wird dieses System in drei strukturell und funktionell unterschiedliche Ebenen unterteilt. Die untere limbische Ebene, die mit der Hirnanhangsdrüse in Zusammenhang steht, steuert lebenswichtige Körperfunktionen und angeborene Verhaltensweisen. Die mittlere Ebene hat mit unbewusster Emotionsentstehung und Emotionskontrolle zu tun, sowie mit unbewusster Verhaltensbewertung. Die obere limbische Ebene ist die Ebene der bewussten Gefühle und besteht aus limbischen Arealen der Großhirnrinde. Dazu zählen der insuläre Cortex und verschiedene Bereiche des cingulären Cortex. Außerdem gehört der orbitofrontale Cortex zu diesem System, da dieses Areal der Ort der emotionalen und motivationalen Aspekte der Verhaltensplanung darstellt, insbesondere in Hinblick auf die Einschätzung der Konsequenzen der geplanten Handlung.
Selbstwahrnehmung
Mit dem Begriff Selbstwahrnehmung ist nicht, wie beim Körperbewusstsein, ein rein physisches Empfinden des eigenen Organismus gemeint, sondern, als eine Komponente des Selbstbewusstseins, die gesamtheitliche physische und psychische Wahrnehmung der eigenen Person. Das Selbstbild definieren Psychologen als die Summe aller Selbstwahrnehmungen, die durch Informationen anderer über sich ergänzt werden. Das Selbstbild ist also ein psychologisches Konstrukt, das ein Mensch von sich selbst herstellt. Eine Verstärkung der Achtsamkeit kann zu einer verfeinerten Selbstwahrnehmung führen. Das bedeutet, dass man deutlicher unterscheiden kann zwischen dem Selbstbild und der aktuellen Selbstwahrnehmung.
Neurologische Veränderungen durch Achtsamkeitstraining
Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie, kurz fMRT, wurden zahlreiche Untersuchungen an verschiedenen Probanden gemacht. Es wurden sehr erfahrene Meditierende, außerdem Novizen, also Meditationsanfänger, und, als Testgruppe, nicht-Meditierende miteinander verglichen. Außerdem gibt es Studien, in denen die EEGs dieser drei Gruppen miteinander verglichen wurden, und Studien, in denen mittels Voxel-basierter Morphometrie die Dichte einzelner Hirnregionen gemessen wurde. Die Anzahl derartiger Studien, in denen nach durch Achtsamkeitsmeditationen verursachten funktionellen und strukturellen Veränderungen des Gehirns gesucht werden, wächst seit einigen Jahren beständig.
Verbesserung von Autoregulationsprozessen
Unter dem Begriff Autoregulation versteht man die Fähigkeit, bestimmte Prozesse willentlich und gezielt verändern zu können. Wie bereits beschrieben können durch Achtsamkeit die mit Aufmerksamkeit und die mit Emotionen verbundenen Prozesse bewusst modifiziert werden. Besonders wichtig ist die Fähigkeit zur Selbstregulation bei Prozessabfolgen, die häufig automatisiert, also sozusagen fremdreguliert ablaufen wie bei der Aktivierung der Stress-achse, einer physiologischen Kettenreaktion, die durch eine intensive Stressempfindung ausgelöst wird.
Achtsamkeit im Alltag
Auch wenn man sich nicht zu täglichem Meditieren überreden oder überzeugen lassen will oder kann, so kann man dennoch der Achtsamkeit und den damit verbundenen verbesserten Eigenschaften und Fähigkeiten näher kommen als man es jetzt ist. Der Grundgedanke dieses Konzepts ist ja, konzentriert zu beobachten ohne zu werten. Allein schon dadurch werden etablierte Mechanismen entkoppelt und schaffen Freiraum für Neues, für neue Verhaltensweisen und neue Gedankenstrukturen.