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Entrepreneurship versus Business Administration

Entrepreneurship versus Business Administration

oder von der Überwindung des Dogmas der Rationalität betriebswirtschaftlicher Kennzahlen.

Derzeit ist das Thema Entrepreneurship ja sehr aktuell, die vielbeschworen Start Up –Mentalität wird oft bemüht und selbst große und altehrwürdige Unternehmen gründen „Labs“ und bauen „innovative  Räume“, um die Kultur dieser Start-Up´s zu importieren.

Warum ist diese Transformation der Arbeitsweisen, der Umsetzung und der Grad des sich hieraus zeigenden Erfolgs einer Idee in der „old economy“ so schwierig und gelingt noch so selten?

Liegt es vielleicht in unserer deutschen Leitkultur verwurzelt, sind wir hierarchiegeprägt und eher formal und rational unterwegs. Nach dem Motto: was nicht sein kann, das nicht sein darf?

Unsere Gesellschaft benötigt unternehmerische Konzepte, die auf die Probleme unserer Zeit antworten: mit ökonomischer, ökologischer und künstlerischer Fantasie. Entrepreneurship bietet die Chance, mit unkonventionellen Ideen und Sichtweisen zu arbeiten und gerade damit erfolgreich am Wirtschaftsleben teilzunehmen, sagt Günter Faltin (Professor für Entreprenurship an der FU Berlin).

Entrepreneurship ist demnach schöpferisches Gestalten. Es geht dabei vor allem um eine tragfähige Idee, die so lange hinterfragt und durchdacht wird, bis daraus ein marktfähiges Konzept entstanden ist!

Dazu ist ein Bruch mit Konventionen nötig: Nämlich durch die Fragestellung, geht es auch anders – nämlich besser?

Im Managementsprachgebrauch spricht man in diesem Zusammenhang auch von „fundamentalem Reengineering“, also dem Überdenken und vom radikalen Redesign von Unternehmen oder wesentlichen Unternehmensprozessen. Durch die grundlegende Neugestaltung von Prozessen sollen Quantensprünge bei den Zielgrößen Kosten, Zeit und Qualität erreicht werden.

Andere sprechen in diesem Zusammenhang auch von „disruptiven Geschäftsmodellen“  Hiernach werden auf der Grundlage einer neuen Technologie oder eines neuartigen Geschäftsmodells Produkte oder Dienstleistungen entwickelt, die zu Beginn einen kleineren Teil der Kunden anspricht. Disruptiv wird es, wenn das Angebot das Kapital bekommt und einen Markt so dominiert, dass etablierte Unternehmen und ihre Produkte verdrängt werden. Disruptive Innovationen sind ein Prozess, der sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckt. In manchen Fällen kommt es zu einer schnellen Verdrängung, in anderen Fällen kann es viele Jahre dauern.

Nach Gerald Lembke (Wirtschaftswissentschaftler und Organisationsentwickler) geht es bei der Disruption um das Hinterfragen klassischer Prozessstufen. Ineffiziente Stufen sollten nach den Vorstellungen disruptiver Vordenker wie Marc Andreesen und Clayton M. Christensen radikal ausgeschaltet werden. Das Innovations-Vakuum, von z.B. etablierten Finanzdienstleistern ist konstruktiv zu reflektieren, gegebenenfalls auszuschalten. Weil etablierte Unternehmen, sofern sie noch zu den Marktführern in ihrem Segment gehören, zu sehr auf die Bedürfnisse ihrer Stammkunden achten, fehlt ihnen der Blick für revolutionäre Neuerungen. Häufig überlassen sie dann das lukrative Geschäft Newcomern und Start-Up-Unternehmen. „Führende Unternehmen fallen häufig einem der beliebtesten und meistgeschätzten Glaubenssätze zum Opfer: Sie kleben zu eng an ihren Kunden.“ (Bower/Christensen 2008). Dieses Prinzip wird auch als „Innovations-Dilemma“ betitelt.

Allen diesen Ansätzen und Denkmodellen ist eines gemein:

Schluss mit der betriebswirtschaftlichen Kleingeisterei: Wer erfolgreich sein will, braucht ein kreatives Konzept und den Mut bisherige Dinge in Frage zu stellen. Oft ist die geniale Idee oder die bahnbrechende Erfindung gar nicht nötig. Wer darauf wartet, wartet meist ewig. Oft erstickt die Betriebswirtschaft mit ihren formalen Strukturen und durch die Kennzahlenhörigkeit die erforderliche Kreativität schom im Keim und verhindert dadurch den Aufbruch zu neuen Ufern.

Gemäß Professor Faltin benötigen Unternehmer für ein neues Geschäftsmodell oder Unternehmen nur drei Erkenntnisse, um durchzustarten:

  • Das Konzept ist wichtiger als das Kapital. Es geht dabei keineswegs um geniale Gedankenblitze, sondern um harte Gedankenarbeit. Kreative Ideen sind das Resultat von systematischen Überlegungen.
  • Was Entrepreneure nicht können, überlassen sie Fachleuten. Das gilt auch für die Betriebswirtschaft. Leider gehen schöpferische Kraft und Leidenschaft mit Betriebswirtschaftslehre nur selten Hand in Hand.
  • Die Fachleute tragen ihr Scherflein bei, sie organisieren den Tagesbetrieb, sie kümmern sich um Prozesse, der Entrepreneur steuert das Unternehmen.

Entrepreneurial Design

Es geht demnach gar nicht wirklich immer darum etwas Neues zu erfinden. Viele Menschen eint das Verständnis, das „Geschäftsidee“ die Kurzform von „Erfindung plus Umsetzung“ sei. Das ist ebenso falsch wie der Glaube, die Umsetzung sei entscheidend. Die New-Economy-Blase hat das auf drastische Weise gezeigt: Geld und Management-Know-how waren zwar da, aber trotzdem scheiterten die Startups reihenweise. Warum? Weil die Ideen und die daraus entwickelten Konzepte nicht tragfähig waren.

Entscheidend ist nicht, was eine neue Technologie alles kann. Entscheidend ist, ob die Leute diese Technologie haben wollen. Es entscheidet der Markt. Ausschlaggebend ist nicht die Qualität einer Erfindung oder Technologie, sondern ihre Akzeptanz am Markt.

Aus einer Idee ein Konzept zu entwerfen, das in die Zeit passt und von den Menschen angenommen wird – das macht den Entrepreneur aus. Ein gutes „Entrepreneurial Design“ sollte  daher:

  1. klare und vom Kunden erkennbare Marktvorteile herausarbeiten,
  2. einen Vorsprung vor Imitatoren sichern,
  3. davor schützen, technologisch schnell zu veralten,
  4. davor schützen, wirtschaftlich schnell zu veralten,
  5. den Finanzierungsaufwand minimieren,
  6. Marketing als integralen Bestandteil sehen.

Die Punkte zwei bis vier sind deutliche Indizien dafür, dass Sie lieber auf High-Tech verzichten sollten. Die Gefahr, von der Konkurrenz überholt zu werden, ist in diesem Bereich sehr groß. Wer die sechs Punkte beherzigt, sollte zusätzlich noch diese drei Bedingungen erfüllen:

  • Skalierbarkeit, d. h. bei Wachstum müssen die Kapazitäten nicht proportional erweitert werden.
  • Einfachheit, d. h. die Komplexität wird so weit wie möglich reduziert. Sonst verlieren Sie bei Wachstum schnell den Überblick.
  • Risikominimierung, d. h. die erkennbaren Risiken vorher angehen, denn es werden noch genug unerwartete Risiken auftauchen.

Das Konzept erst ins Labor

„Von einer Anfangsidee sofort in die betriebswirtschaftliche Umsetzung zu gehen, ist oft übereilt, strengen Sie Ihren Kopf an, nicht Ihren Geldbeutel.“

(Professor Faltin)

Eine Idee ist erst nur ein Ansatz. Diesen gilt es in drei Richtungen weiterzuentwickeln. Wie setze ich das Konzept um? Inwieweit ist es markttauglich? Und inwieweit finde ich mich selbst darin wieder? Der letzte Gedanke klingt verblüffend, ist aber essenziell. Viele Gründer denken anfangs zu konventionell, denken „das ist eben so“. Erst im Prozess des Hinterfragens bekommen sie ein Gespür für das, was sie wollen und wie sie ihre Idee in die Tat umsetzen möchten. Was ist es, das Sie antreibt? Geld allein sollte es nicht sein, es soll Ihnen auch Spaß machen, Geld zu verdienen. Die nachfolgenden Punkte können Ihnen dabei helfen:

  1. Niemand muss etwas Neues erfinden, um innovativ zu sein.
  2. Es reicht, Bekanntes neu zu kombinieren, bereits Vorhandenes zu entdecken.
  3. Fragen Sie nach der Funktion statt nach der Konvention: Erst wenn Sie anfangen, Ihre Umgebung respektlos und mit einer gewissen gedanklichen Stringenz zu hinterfragen, kommen Ihnen neue Ideen.
  4. Erfüllen Sie mehr als nur eine Funktion: Warum nicht zusammenfügen, was scheinbar nicht zusammenpasst, etwa das Café (für die Wartezeit) im Waschsalon?
  5. Verstehen Sie Probleme als Chance: Wenn andere Menschen sich ärgern, haben sie ein Problem und suchen nach einer Lösung. Darin steckt oft eine Geschäftsidee.
  6. Verwandeln Sie Arbeit in Spaß und Unterhaltung. Warum alles selber machen und nicht Kunden aktiv werden lassen? Der Gast zapft sein Bier, der Tourist melkt die Kuh …
  7. Lassen Sie Visionen Wirklichkeit werden. Der Weg zum Ziel ist meist hart und steinig, Fehlschläge und Enttäuschungen gehören dazu.
  8. So vorzugehen ist siebenmal sinnvoller als das Ausfüllen von Business-Plan-Vorlagen, in denen ausgedachtes Zahlenwerk den Denkprozess ersetzen soll. Und der in eine Zukunft hineinprojiziert wird, die garantiert ganz anders wird als es der Business-Plan vorsieht.

Entrepreneur sein darf Spaß machen!

Aus all dem sollte klar geworden sein, wie erst das ständige Verfeinern einer Idee zu einem marktfähigen und lukrativen Konzept einen Gründer auf den Weg zum Erfolg führt. Diese Entrepreneure sind übrigens – um mit einem gängigen Vorurteil aufzuräumen – keineswegs alle aus demselben Holz geschnitzt. Empirische Umfragen zeigen, dass erfolgreiche Unternehmer komplett unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale haben. Nur eines ist ihnen allen gemeinsam: Sie leben für ihre Idee, sie wagen das Abenteuer. Es sind öfter als gedacht kreative und freie Geister, keine buchhalterisch und betriebswirtschaftlich versierten Gewinnmaximierer. Mehr noch: Entrepreneure entwickeln sich zu kreativen und freien Geistern, werden lebenstüchtiger und -bejahender. Ihre Persönlichkeit wird durch und durch positiver.

(Dieser Artikel entstand nach dem Lesen des Buches „Kopf schlägt Kapital“ von Günter Faltin)